Die Faschingssaison erreicht jedes Jahr ihren närrischen Höhepunkt und das nicht nur in heimischen Gefilden. Das Venedig in diesen Tagen seine mystisch Maske aufsetzt, Köln Kopf steht und in Rio der Samba das Alltagsleben regiert, ist hinlänglich bekannt.
Wer weiß aber schon, dass Italiens Hochburg für Karnevalsumzüge eigentlich Viareggio an der toskanischen Küste bei Pisa ist? Wir nehmen Dich mit auf einen kleinen Ausflug in die Geschichte dieses Umzugs, der jedes Jahr zur Karnevalszeit mehrmals stattfindet.
Wer live mit dabei sein möchte, kann seinen Aufenthalt in der Toskana im Übrigen prima mit einer Sprachreise nach Viareggio verbinden.
Karneval unter freiem Himmel und auf den Plätzen Viareggios
Im Februar des Jahres 1873 kam unter den gut situierten jungen Leuten im damaligen Viareggio im Caffè del Casinò die Idee auf, einen Wagenumzug zu veranstalten, um Karneval unter freiem Himmel, auf den Plätzen und unter den Leuten zu feiern. Am Faschingsdienstag 1873 entstand der Karneval in Viareggio, so wie wir ihn heute kennen: eine der spektakulärsten und schönsten Veranstaltungen in der ganzen Welt.
Inmitten des großen Volksfests erschienen dann gegen Ende des Jahrhunderts mit sofortigem Erfolg die Triumphwagen, richtige Monumentalbauten aus Holz, Alabasterglas und Jute, von Bildhauern modelliert und von eben den Schreinern und Zimmerleuten zusammengebaut, die im Hafen an den Anlegestellen der Schiffswerften Schiffe zu bauen vermochten, die erfolgreich den heimtückischen Fluten und launischen Winden des Ozeans trotzten. Von da an zogen diese Wagen alle Jahre wieder durch eine begeisterte und vergnügte Menschenmenge.
Der erste Weltkrieg schien zusammen mit der europäischen Belle Epoque auch den Karneval von Viareggio zerstört zu haben. Mit dem Umzug der Maskenwagen auf den beiden wunderschönen Alleen, die parallel zum Meer verlaufen, blühte er jedoch im Jahre 1921 schöner und großartiger wieder auf. Die sagenhafte Strandpromenade, die im Sommer Treffpunkt nationaler und internationaler mondäner Gesellschaft war, bildet seit damals, mit den Apuanischen Alpen im Hintergrund, eine natürliche und grandiose Bühne unvergleichlicher Schönheit, wo sich die Karnevalsbauten jedes Jahr immer reicher an Leben und Schwung zur Schau stellen.
1921 wurde auch das erste offizielle Karnevalslied gesungen: “Coppa di Champagne”, die derzeitige Karnevalshymne. Auch die Figuren belebten sich das erste Mal zum Takt der Musik, da die Musikkapelle auf einem Wagen mit Namen “Tonin di Burio”, der das Hochzeitsfest im Hofe eines Bauernhauses darstellte, untergebracht war.
Zwei Jahre später war die nostalgische und romantische Karnevalsfigur “Pierrot” die erste Maskenkonstruktion, die Kopf und Augen bewegte. Auf Initiative einiger Wagenbauer wurde dann im Jahre 1925 die Papiermaché eingeführt. Dieses Material ermöglicht die Herstellung von kolossalen, aber gleichzeitig federleichten Aufbauten, d.h. Figuren, die sich frei in der Luft bewegen können und so die Gesetze der Schwerkraft besiegen.
Legendäre Wagenbauten
Man kann nun sagen, daß die Geschichte des Karnevals von Viareggio zur Legende wurde, dank der Wagenbauer, die die nationale und internationale Presse ihrer Kreativität wegen als “Papiermachézauberer” bezeichnete.
1930 erdachte Uberto Bonetti, der Maler, der den Karnevalszauber mit offiziellen Plakaten illustrierte, den “Burlamacco”, die heute bekannte Maske, die auf dem Plakat von 1931 mit dem Hintergrund der Molen, die ins Meer hinausreichen, in Begleitung von “Ondina” erscheint.
Heute gehört der “Burlamacco” zu den italienischen Masken im Völkerkundemuseum in Rom und ist in Paris im Musée de l’Homme ausgestellt.Nach dem zweiten Weltkrieg wird der Karneval von Viareggio 1946 wieder geboren und seit damals schwingt der Karnevalskönig unbeschadet sein Zepter. Ein schreckliches Feuer, das im Juni 1960 in den Hangars, in denen die Karnevalswagen gebaut werden, wütete, konnte ihm nichts anhaben.Seit seinen Anfängen (1954) hat das italienische Fernsehen und dann später auch die Eurovision (1958) die große Beliebtheit der Veranstaltung gewürdigt, indem sie Viareggio und den Karneval auf dem Äther überall hinbrachte.
Schon seit jeher kommt eine große Anzahl von berühmten Gästen, Politikern, Leuten aus dem Showbusiness, Sportlern nach Viareggio, um die eigene Darstellung in Papiermaché zu bewundern. Hunderttausende von Besuchern stehen bei jedem Maskenumzug jedes Jahr für den großen Erfolg dieser Veranstaltung.
Viareggio: Italiens Karneval Nr. 1
Der Karneval von Viareggio, seit dem Jahr 2002 zum Karneval Italiens und Europas ernannt, dauert jedes Jahr, einen ganzen Monat lang; gefeiert wird sowohl tagsüber als auch am Abend. Gestärkt durch den andauernden Erfolg der vergangen Jahre, plant man heute bereits die großen zukünftigen Saisons, die mit ihren Wagen, Umzügen, Bezirksfesten, Maskenbällen und Feiern jeder Art besonders spektakulär sein werden.
2001 hat die Eröffnung der Karnevalszitadelle einen denkwürdigen Fortschritt in der Geschichte des Karnevals Viareggios bedeutet. Dieser Mehrzweckkomplex von großem architektonischem Wert nimmt die modernen Werkstätten von Maskenwagenbau und die Papiermaché-Schule auf, und im Sommer in der weiten Arena findet „Zitadella unter den Sternen“, eine zahlreiche Reihe von Vorstellungen, Konzerten und kulturellen Veranstaltungen, statt. Die Zitadelle wird bald auch das Karnevalsmuseum, eine multimediale Fahrt zur Verwertung und Verbreitung der kulturellen und historischen Schätze des Karnevals Viareggios und der Karnevalen der ganzen Welt, aufnehmen.
Das Karneval Viareggios, idealer Treffpunkt von verschiedenen Volken und Kulturen, das einen starken Widerhall bei Maßmedien findet, bietet die Gelegenheit, das Karneval, das Tradition zusammen mit Solidarität- und Freudenwerte feiert, zu globalisieren. Jedes Jahr kommen viele tausende Menschen nach Viareggio. Sei auch Du dabei mit einer Sprachreise in die Toskana!