Im Terminal hielt ich dann Ausschau nach den anderen 4, die die gleiche Reise mit Travelworks machten. Nach und nach gaben sich alle zu erkennen und wir standen im Grüppchen in der Schlange zum Boarding, alle voller Erwartungen. Die folgenden 8 1/2 Stunden vergingen durch diverse Filme im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.
In Toronto angekommen mussten wir durch ein langes Prozedere um unser Visum ausgestellt zu bekommen. Spätestens jetzt waren alle nervös... Alles war abhängig von dem kanadischen Beamten. Alle fünf von uns bekamen jedoch ihr Working Holiday Visum und nachdem jeder seinen Backpacker, bzw. Koffer hatte, fuhren wir mit einer Mitarbeiterin der Organisation, die uns am Flughafen abholte zu unserem Hostel.
Die folgenden zwei Tage wurden wir durch das Seminar sehr gut auf die kanadischen Umstände, sprich Kultur, Arbeitsmarkt, die verschiedenen Provinzen und ihre Gesetze etc. vorbereitet und informiert. Hinzu kam, dass wir Sachen wie die SIN (kanadische Sozialversicherungsnummer), das Bankkonto und den Handyvertrag glücklicherweise nicht allein beantragen mussten. Da wäre ich alleine vom Angebot ziemlich erschlagen gewesen und hätte Angst übers Ohr gehauen zu werden. Zusammen mit Henrike verlängerte ich meinen Aufenthalt im HI-Hostel, die drei Jungs suchten sich andere Unterkünfte. Im Gegensatz zu Henrike betrieb ich keine Jobsuche, sondern wurde Mitglied beim Verein "wwoof" (world wide opportunities on organic farms) und sah mich nach einer Farm um, auf der ich den Herbst verbringen konnte. Ich entschied mich für die "Flying Shoe Farm" im Herzen der Provinz New Brunswick von September bis November.
Bis dahin wollte ich die Ostküste Kanadas entlang reisen. Nachdem ich mit Henrike ein Wochenende bei den Niagarafällen war, wo wir uns günstig ein Motelzimmer mit zwei Doppelbetten mit Tamino (Teilnehmer unserer kleinen Reisegruppe) und seinem Freund Max teilten. Die Wasserfälle waren unglaublich beeindruckend, die Stadt glich jedoch einem einzigen Vergnügungspark. Nach ein paar Tagen Toronto, in denen Henrike einen Job und eine Wohnung fand, brach ich mit dem Greyhound nach New York auf (nein, die 20 Stunden Busfahrt waren bei gefühlten 10°C, die die Klimaanlage erzeugte nicht sonderlich angenehm) wo ich unter anderem auch meine beste Freundin Elsa traf, die dort ihre Vorbereitungsveranstaltung für ihr AuPair-Jahr hatte. Nach aber nur 2 Stunden zusammen mit ihr, war ich alleine in dieser riesigen Stadt. New York ist eine überwältigende Stadt und man fühlt sich wirklich wie im Film.
Mein Hostel war untertrieben ausgedrückt alles andere als sauber und hygienisch aber wenigstens hatte ich das Doppelzimmer für mich alleine. Im Zimmer war es jedoch unglaublich kalt und ich konnte es nicht beeinflussen. Die nächsten 2 Tage fühlte ich mich richtig hundeelend und hatte Angst, dass ich eine Grippe von den warmen Temperaturen draußen und dem Klimaanlagenwahn der Amis ausbrütete. Nachdem ich jedoch meine Schlafstunden aufstockte und mich wahrscheinlich auch an die Luft NYCs gewöhnt hatte, ging es mir besser und ich setzte meinen Sightseeing-Marathon fort. Neben dem Central Park und der Westside hat mir Brooklyn als Stadtteil mit Abstand am besten gefallen. Dort könnte ich mir auch vorstellen zu leben. Von NY fuhr ich wieder zurück nach Toronto. Als ich dort jedoch kein freies Bett fand, fragte ich mich, was ich hier noch eine Nacht wollte, wenn ich auch direkt weiter reisen könnte.
Also fuhr ich noch am selben Tag nach Ottawa. Dort kam ich nicht im HI-Hostel unter (das ein ehemaliges Gefängnis ist und dementsprechend auch noch eingerichtet...), sondern im "Barefoot Hostel". Dort gab es das modernste und sauberste Bad mit der größten Dusche, die ich je auf meiner Reise vorfinden würde. Ottawa ist für die Hauptstadt Kanadas mehr als überschaubar, jedoch von der Architektur und den Museen sehr beeindruckend. Hier wurde ich das erste mal nach 4 Monaten Pause wieder mit der französischen Sprache konfrontiert. Sie zu verstehen war kein Problem (sogar "quebecois"), am Vokabular haperte es auch nicht aber die Grammatik machte es mir anfangs nicht leicht Sätze zu formulieren. In Ottawa lernte ich die nette Australierin Julie kennen, die ich später noch einmal wieder treffen würde. Nach einer Woche in Ottawa ging es weiter nach Montréal. Als ich dort einen Mann nach dem Weg zum Hostel fragen wollte und mit den Worten "Excusez moi, Monsieur?" seine Aufmerksamkeit erlangen wollte, reagierte dieser jedoch auch nach der zweiten Wiederholung nicht. Ich versuchte es auf Englisch und schon drehte er sich um. In Québéc hat man als nicht-französisch-Sprechender auf jeden Fall keine Probleme. Alles ist sehr bilingual und man wird zweisprachig begrüßt, sodass man sich praktisch eine Sprache aussuchen kann.
In Montréal fand ich ziemlich schnell Anschluss zu einer vergleichsweise großen Gruppe, bestehend aus Daisy aus Kalifornien und Lucie aus Frankreich, die wiederum Kontakt zu Catherine aus Luxembourg und Anna aus Deutschland hatten, die mit Michael aus Alberta und Ben dem Quotenaustralier ;) unterwegs waren. Wir hatten viel Spaß zusammen. Mit den Mädels machte ich unter anderem eine Radtour, von der ich nachts durch fehlendes Training meinen ersten tödlichen Wadenkrampf bekam, aß im angesagtesten Restaurant der Stadt "La Banquise" 2 Variationen des berühmten Nationalgerichts Poutine (die meinen ersten Versuch der einfachen Poutine in Toronto bei Weitem toppten), ging in eine schicke Cocktailbar und erklomm den Mont Royal.
Von Montréal fuhr ich mit dem Zug nach Québéc City. Dort konnte ich leider nur eine Nacht bleiben, da der Zug nach Campbellton nur einmal in der Woche fuhr. Im Hostel traf ich dann lustigerweise auf Julie aus Ottawa und wir landeten im gleichen Zimmer, nebeneinander. Mit ihr nahm ich am nächsten Morgen an einer Führung durch die Stadt teil. Den Bauten, Häusern und der Struktur der Stadt sieht man den europäischen bzw. französischen Einfluss unheimlich stark an. Kulinarisch machte ich Bekanntschaft mit dem "Beavertail", zu Deutsch "Bieberschwanz", eine in Fett gebackene Germteig-Flade mit wahlweise Zimt und Zucker oder vielen anderen Belägen wie Erdnussbutter.
Nachdem ich mit Julie abends thailändisch essen war, nahm ich den Zug nach Campbellton. Campbellton war wahrscheinlich die einzige Fehlentscheidung meiner Reise. Ich suchte das Fischerörtchen aus um es nach den ganzen Großstädten etwas ruhiger zu haben. Was ich nicht wusste war, dass es eigentlich nur ein Durchfahrtsort für Camper ist und die Hochburg von Killermücken war. Am Morgen meiner Abreise klingelte mein Wecker, ich stand auf, alles war vorbereitet, ich frühstückte und sah dann auf die digitale Uhr am Herd. Mist! Eine Stunde weiter! Ich checkte meine Armbanduhr und versicherte mich beim Mitarbeiter des Hostels. Mein Handy hatte sich nicht der Zeitzone angepasst! Wie wütend ich auf dieses Teufelswerk von Technik war. Letztendlich musste ich noch eine Nacht im Hostel buchen, mein Zugticket nach Moncton war verfallen und ich musste ein Busticket für den nächsten Morgen kaufen.
Das Hostel in Moncton hob sich sehr von den bisherigen ab, im positiven Sinne und das Wort "Hippie" beschreibt die Atmosphäre, die Einrichtung und die Mitarbeiter am besten. Von dort aus versuchte ich mit einer Frau ein Auto zu mieten, um die Hopewell Rocks zu sehen, was jedoch nicht funktionierte. Meine nächste Station war Prince Edward Island, die kleinste Inselprovinz Kanadas. Charlottetown ist eine sehr schöne Stadt und ich aß zum ersten Mal Hummer. Des Weiteren machte ich eine Tour zu "Anne of Green Gables", dem Ursprungsort eines berühmten Romans (vor allem in Asien sehr populär) und "Cavendish", was sich nicht sonderlich von den holländischen Stränden abhebt.
Von PEI ging es zurück nach Moncton um von dort aus nach Halifax in Nova Scotia (die südöstlichste Provinz) zu kommen. Dort blieb ich die ganze letzte Woche des Augusts bei traumhaftem Wetter. Meine erste Nacht verbrachte ich jedoch auf der Couch einer Fremden( über Couchsurfing), da alle Hostels ausgebucht waren. Ich war sehr nervös, wollte die Nacht aber nicht unter einer Brücke oder ähnlichem verbringen. Das ungute Gefühl verschwand aber sofort, als mir "Katrina" die Tür aufmachte. Wir verstanden uns sehr gut und ich durfte die Nacht mit ihrem Babykätzchen schmusen. Im Zentrum angekommen hatte ich den Eindruck als würde die ganze Stadt aus deutschen Studenten bestehen, da viele dort ein Auslandssemester machten und auf Wohnungssuche waren. Ich gab mich außer bei meinen Zimmergenossinnen nicht als deutsch zu erkennen, da ich keine Lust hatte deutsch zu sprechen, weil ich so versessen darauf war mein Englisch zu verbessern.
Halifax ist eher britisch angehaucht und so wird täglich auch eine Kanone vom "Citadel Hill" abgefeuert. In Halifax war ich auch Kajakfahren, was ich technisch und kraftmäßig ein wenig unterschätzt hatte, aber es hat sehr viel Spaß gemacht. In einem Hostel lernte ich dann Maike aus Deutschland und Balint aus Ungarn kennen, die alt genug waren um ein Auto zu mieten, sodass wir einen Roadtrip zu "Peggy's Cove" (wo ein Leuchtturm steht) und dem UNESO-Weltkulturerbe "Lunenburg" machten. Am 1. September fuhr ich dann mit dem Bus nach Fredericton in New Brunswick auf die organische Farm. Dort wurde ich abgeholt und es ging noch einmal ca. 45 min lang aus der Stadt raus und ins Dorf Stanley.
Zusammengefasst war das die Zeit in der ich am meisten mein Englisch verbessern konnte in vor allem mental, bzw. in meiner Person gewachsen bin. Neben der wirklich harten Farmarbeit (bestehend aus: Pferde, Schweine, Ziegen, Hühner und Kaninchen versorgen und auch schlachten (!), Gemüse ernten, Bäume fällen, Holz hacken, einen Acker mittels Traktor umpflügen ect.), machte es sich das Paar Sandy (56) und Meryl (69) zur Aufgabe die anderen 2 kanadischen, 1 japanisches Mädchen (die gute Freundinnen von mir geworden sind) und mich in Sachen Lebensmittel und Gesundheit, bzw. Gefahren wie Chemtrails von Flugzeugen, Pestizide, GMOs usw. zu informieren und wie man diese vermeiden und gegen sie angehen kann gelernt. Durch die spirituelle Einstellung beider der ich mich, obwohl es ungewohnt war, geöffnet habe, konnte ich auf einer ganz anderen Art und Weise nachdenken und reflektieren und ein Stück über den Sinn meines Lebens herausfinden. Die Liebe, die ich dort erfahren habe lässt mich für immer mit diesen Menschen verbunden sein und ich kann meine Dankbarkeit nicht in Worte fassen.
Schweren Herzens aber mit Vorfreude mal endlich wieder in einer Großstadt zu sein, ging es dann am 1. November für mich zum Flughafen, von wo aus ich nach Vancouver flog. Dort fand ich nach 3 Tagen einen Job bei Topshop (Modekette aus England) als saisonale Verkäuferin für die Weihnachtszeit (2 Monate). Und nachdem ich bei meiner ersten Wohnung Opfer eines Mietbetrugs wurde (der aber glimpflich ausging) fand ich recht schnell ein Zimmer in einer mehr als zentralen WG downtown. Die Arbeit war eigentlich sterbenslangweilig und ich glaube, dass das als Studentenjob schon mal ausscheidet, aber durch meine lieben Kolleginnen und ein Positionswechsel zu den Umkleiden war es dann doch nicht allzu schlimm. Seit ich dort gearbeitet habe, hatte sich leider wegen sehr hohen Discounts ein kleiner Koffer zu meinem Backpacker gesellt.
Jedenfalls bin ich froh, dass ich in jeweils so unterschiedliche Gebiete eintauchen konnte. Zwischenzeitlich hatte ich mehrere Tage hintereinander frei, sodass ich die Möglichkeit hatte nach Portland, Seattle ,Victoria (Vancouver Island) und Whistler zu fahren. Des Weiteren buchte ich um Weihnachten rum Hin- und Rückflug nach Oahu für 10 Nächte Ende Januar, da mich das nur 330€ kostete.
Am 14.01. endete mein Mietvertrag und ich begann meine zweiwöchige Reise durch die Rocky Mountains. Ich verbrachte eine Nacht in Calgary, danach 4 Nächte im wunderschönen Lake Louise, wo Henrike arbeitete und wir zusammen Ski fahren gingen - ein atemberaubendes Skigebiet. Danach ging es für 2 Nächte nach Banff und von dort nach Jasper. Der Weg dahin wird als einer der schönsten Fahrten Kanadas beschrieben und dem kann ich nur zustimmen! Was ich von Jasper mitnehme ist der "Maligne Canyon", eine Schlucht mit Wasserfällen, die im Winter zugefroren sind, sodass man durch den Canyon mit Spikes wandern kann. Viel zu lange bin ich aber dort gewesen, da der Highway (auf Grund der ungewöhnlich warmen Temperaturen tagsüber von nicht mehr -20° auf +10° hatte sich eine nicht zu bekämpfende Eisschicht gebildet) gesperrt war.
Nach 6 Nächten Jasper war ich für 2 Nächte in Vancouver und traf mich mit allen Leuten, die ich dort kennengelernt hatte, da ich am 30. Januar nach Hawaii fliegen würde und nach meiner Zeit im Paradies nur noch eine kurze Nacht in Vancouver verbringen würde bevor es zurück nach Deutschland ging. Mit meiner lithuanischen Freundin Goda trank ich bei "mink chocolates" auf Grund des "Hot Chocolate Festival" einen Kakao mit gerösteten Grillen, was obwohl es echt schräg aussah, ganz köstlich war - wie gesalzenes Popcorn. Die Zeit auf Hawaii war traumhaf, ich hatte tolles Wetter, bin, obwohl ich sonst immer nur Sonnenbrand bekomme wegen meiner hellen Haut, gut gebräunt, war viel Wandern, habe viel am Strand gelegen und bin geschwommen. Mit 2 deutschen Mädels, von denen ich eine schon aus Calgary kannte, habe ich einen ganzen Tag bei Pearl Habor verbracht und ich kann jedem empfehlen sich das anzuschauen. Alles super interessant aber der amerikanische Patriotismus nervte (ich meine die wurden von den Japanern vernichtet und stellen sich in den ganzen Museen als Sieger da). Am schönsten auf Oahu ist jedoch die Nordküste. Dort habe ich auch etwas getan, was ich mir für diese Reise fest vorgenommen hatte: einen Fallschirmsprung. Es war atemberaubend und ein unbeschreibliches Gefühl Und ich werde es wieder tun!
Auf meinem Rückflug fühlte es sich an als würde meine Reise weiter- und nicht zu Ende gehen. In Köln angekommen war ich froh wieder bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein und vor allem mein eigenes Zimmer mit meinem Bett und meiner Matratze (nicht durchgelege) zu haben. Was ich während meines Aufenthaltes gelernt habe, bzw. mitnehme ist Dankbarkeit zu zeigen, Geduld, Organisiertheit und die Fähigkeit ganz unverblümt den Kontakt oder einfach ein Gespräch zu Fremden aufzunehmen. Kanadier lieben Smalltalk, da kann sich manch ein verklemmter, distanzierter Deutscher eine dicke Scheibe von abschneiden!