Wahrscheinlich habt ihr noch nie von Nova Scotia, geschweige denn von Middle Sackville gehört, doch wenn man die Region rund um Halifax kennenlernt, muss man nicht nur die Menschen sofort ins Herz schließen.
DIE VORBEREITUNGEN, ANKOMMEN UND DIE ERSTEN SCHULTAGE
Im Rahmen eines Informationsabend zum Thema Auslandssemester an meiner Schule wurde mir klar, dass ich genau diese Erfahrung machen möchte! Daraufhin informierte ich mich bei verschiedensten Agenturen über die vielen Möglichkeiten. Schließlich entschied ich mich, mein Abenteuer mit TravelWorks zu starten. Ich entschied mich für TravelWorks, da es nicht nur relativ günstige Auslandsaufenthalte ermöglicht, sondern auch Stipendien für besonders engagierte Schüler anbietet.
So bewarb ich mich rund zehn Monate bevor mein Auslandsaufenthalt beginnen sollte für das Weltbürger-Stipendium von TravelWorks. Die Bewerbung umfasste ein selbst gedrehtes Video, sowie ein Interview auf Englisch. Als die Nachricht kam, dass ich das Stipendium bekommen hatte, war ich überglücklich und finalisierte meine Anmeldung für das Programm in Nova Scotia. Im November 2018 erfolgte das Informationsmeeting in Salzburg (für deutsche Schüler in Münster), bei dem alle Austauschschüler einander kennenlernten und alle nötigen Informationen bekamen. Wenige Wochen später bekam ich die lang ersehnte Email: Meine Platzierung war bestätigt worden! Die Nachricht enthielt Informationen über meine Gastfamilie, die Nachbarschaft und natürlich meine kanadische High School. Als meine Gastfamilie wurde mir Sharon vorgestellt, die in Middle Sackville lebt. Zuerst war ich etwas enttäuscht, dass es keine Familie mit Kindern in meinem Alter wurde, doch inzwischen weiß ich: meine Gastfamilie ist perfekt! Weiters enthielt die Email meine Flugdaten. Diese konnte ich leider nicht einhalten, da ich durch eine Mittelohrentzündung kein Flugzeug besteigen durfte, doch TravelWorks ging damit sehr gut um und eine Woche später konnte ich ohne Aufpreis und ohne Schmerzen nach Kanada aufbrechen.
Als ich am Flughafen von Sharon empfangen wurde, war ich nach bis dahin 20-stündiger Anreise erschöpft, aber unglaublich glücklich, so freundlich empfangen zu werden. Denn nicht nur Sharon war sofort freundlich zu mir, auch das gesamte Flughafenpersonal erkundigte sich, woher ich kam und führte selbst bei den Sicherheitskontrollen Smalltalk. Eines der ersten Dinge, dass Sharon zu mir sagte war: „You´ll do you and I´ll do me.“. Und dieses Statement passt perfekt zu unserem way-of-life, den wir in den letzten zwei Monaten praktizierten. Bereits in den ersten Tagen bei Sharon und ihrem Hund Percy erkannte ich, dass eine einzelne Person besser für mich ist, als eine ganze Familie mit Kindern. Denn die Familie hat weitaus mehr Verpflichtungen und weniger Spielraum, um mit den Gastschülern umzugehen. Mit Sharon zu leben ist im Gegenteil dazu, wie in einer Wohngemeinschaft zu wohnen. Sie versucht nicht meine Ersatz-Mutter zu sein und wir leben auf Augenhöhe unser Leben, so wie es uns passt. Das ist, was ich vorhin mir unserem „way-of-life“ meinte, denn dadurch wurde ich in den letzten Wochen viel selbstständiger. Bereits am ersten Wochenende verstand ich mich mit ihr sehr gut, sie gab mir eine Tour durch ganz Sackville, die 75 Minuten dauerte, womit wir vermutlich den Weltrekord für eine Sightseeing-Tour in der „Metropole“ Sackville, die den ironisch gemeinten Spitznamen „Sackvegas“ trägt, halten.
Eine weitere Tatsache, die Sharon zur perfekten Gastmutter macht, ist die Lage ihres Hauses: nicht einmal 5 Minuten von der Schule entfernt, zu meinem 45-minütigen Schulweg in Wien eine willkommene Abwechslung. Wenn wir gerade bei Abwechslung sind: die Schule beginnt an meiner High School um 9:15 Uhr, das bedeutet ich kann praktisch jeden Tag ausschlafen.
Nach meinem ersten Wochenende und einem Ausflug nach Halifax und der Sightseeing-Tour in Sackville, erwartete mich mein erster Schultag an der Millwood High School. Der erste Programmpunkt war eine Führung durch die ganze Schule, von den sogenannten Student-Ambassadors (ältere Schüler, die sich um die Austauschschüler kümmern) . Diese machten mich in der Mittagspause auch sogleich mit den restlichen internationalen Schülern bekannt. Ich lernte Schüler aus Brasilien, Kolumbien, Mexiko, Spanien, Frankreich, Italien, der Ukraine, Taiwan, den Philippinen, China, Vietnam und Südkorea kennen. Ich erfuhr außerdem, dass in meiner Straße auch drei andere Austauschschüler lebten: Bruno aus Brasilien, Roberto aus Mexiko und Kevin aus China.
Mit Bruno und seinem Landsmann Felipe freundete ich mich schnell an und unternahm bereits in der ersten Woche an Nachmittagen etwas mit ihnen. An den Wochenenden verbringen wir meistens einen Tag in Halifax, wo es mehr Möglichkeiten gibt einen lustigen Nachmittag zu verbringen und meistens treffen wir dort auch andere internationale Schüler aus aller Welt.
Im Schulsystem fällt sofort ein großer Unterschied zum deutschen oder österreichischen System auf: Hier haben Schüler nur 4 Kurse pro Semester, dafür wechseln diese jedes Semester, es funktioniert also eher wie ein universitäres System mit Credits. Meine vier Fächer sind: Global Politics, Law, Pre Calculus (ein Teilgebiet der Mathematik) und Physics. Weitere Unterschiede sind, dass das Schulsystem vom Niveau her einfacher ist und die Lehrer viel persönlicher mit den Schülern umgehen. Dafür, dass es nur vier Kurse pro Semester gibt, habe ich Tests am laufenden Band, dennoch habe ich viel mehr Freizeit als in Österreich.
FREIWILLIGENARBEIT, SPORTTEAMS UND EIN NEUER „GASTBRUDER“
Nachdem ich mich in den ersten zwei Wochen gut eingelebt hatte, begann ich in den letzten Wochen die Initiative zu ergreifen und das Leben hier so richtig zu genießen. Seit ein paar Wochen arbeite ich jeden Sonntag freiwillig in einem Secondhandgeschäft, dessen Profit einer Suppenküche in Halifax zugutekommt. Ich hatte schon länger den Wunsch gehabt ehrenamtlich zu arbeiten, doch in Österreich ist es durch eine 40-Stundenwoche in der Schule plus Hausaufgaben und Lernen einfach nicht möglich. Deshalb ergriff ich hier die Chance und trage ein bisschen etwas zur Gesellschaft bei.
Ein weitere Eigenschaft, die ich an nordamerikanischen High-Schools schätze, ist, dass es unglaublich viele Angebote in Sachen Sportteams gibt. Da ich in meiner Heimat schon Erfahrungen in der Leichtathletik gesammelt hatte, meldete ich mich zum Track&Field-Team an, dass sich zwei Mal pro Woche speziell auf die Bezirks, Regional- und Provinzmeisterschaften vorbereitet. Dadurch, dass das Training in meiner Schule, sofort nach Unterrichtsende stattfindet, kann ich an diesen Tagen auch noch andere Dinge unternehmen.
Manchmal kommt es zu sogenannten „Re-homings“, wenn Schüler und Gastfamilie nicht miteinander zurechtkommen. Dadurch, dass ich mit Sharon sofort gut klarkam und wir im Haus noch ein freies Zimmer hatten, nahmen wir einen solchen Schüler auf. Jiayi aus China schloss sich uns deshalb vor einem Monat an. Zuerst hatte ich Bedenken, da ich glaubte, dass es vielleicht viel ändern würde, doch es stellte sich heraus, dass es de facto gar nichts änderte, außer, dass ich nur alle drei Wochen den Müll rausbringen muss. Also für alle, die vielleicht dadurch verunsichert sind, dass sie kein Single-placement bekommen haben kann ich sagen, dass es keinen Unterschied machen wird!
Denn noch immer leben wir nach dem Motto „You´ll do you and I´ll do me“.